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Die große Enzyklopädie des mechanischen Rechnens

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Sammlertreffen Puchheim 28. Juli 2012


1 Sammlertreffen Puchheim 28. Juli 2012 - „Ausgestaltung und Design mechanischer Rechenmaschinen“

Die kleine, verschworene Runde ließ sich auch diesmal nicht von den wolkenverhangenen Aussichten abschrecken und kam wieder mal aus den entferntesten Ecken zum Sammlerstammtisch nach Puchheim zu dem angekündigten Vortrag. Bis über die ersten Regentropfen hinaus wurde vorher erstmal unter den Kastanien gefachsimpelt. Vor der professionellen Leinwand drinnen gesellten sich dann zu dem Dutzend Eingeweihten wieder mal zwei interessierte Gäste-Damen, die sich eifrig Notizen zu dem Vorgetragenen machten.

Sammlerfreund Stephan Weiss konnte sich gleich bei seinen Definitionen der Schlüsselwörter des Themas der Aufmerksamkeit sicher sein. Aus der verwirrenden Vielfalt der möglichen Definitionen von „Design“ versuchte er das Wesentliche für unsere Zwecke herauszudestilieren:

Ausgestaltung erfolgt nach künstlerischen Vorstellungen oder technischen Zwängen
Design ist
1. die Ausgestaltung eines Objektes über das unbedingt notwendige Maß hinaus
2. im Rahmen eines Gesamtkonzeptes

(seine doch etwas pragmatische und verkürzte Definition wurde in der anschließenden Diskussion sehr engagiert erörtert)

Aus dem großen Fundus seines Materials konnte er mit seinen Bildern der feinziselierten Messing-Schörkel bei der Leibniz- und Braun-Maschine durchaus sein Design-Konzept belegen („über das .. notwendige .. hinaus“), wies aber auf das fehlende, bzw. irreführende „Gesamtkonzept“ hin, da die Verzierungen ja nicht die Funktion unterstützen, sondern den Geschmack der beschenkten Potentaten ihrer Zeit beeindrucken sollten. Ein anderes Extrem zeigte er mit der Maschine des Earl of Stanhope III., dessen Aufklärungsideale die reine Ausgestaltung der technische Funktionalität ausdrücken, ohne Verschnörkelung oder Ausschmückung. Als wieder kein „richtiges Design“, nur Ausgestaltung.

beim Vortrag
Auch die ersten, mitte des 19. Jahrhunterts in größeren Mengen produzierten Rechenmaschinen nach der Art des „Thomas'schen Arithmometers“ gehen bei der Ausgestaltung nicht „über das unbedingt notwendige Maß hinaus“, weil ja der noch lange Zeit vorherrschende Holzkasten oder das Notiztäfelchen eher der Tradition einer Aufbewahrungskiste für ein kostbares Instrument zuzuordnen sind.

Warum bei allen Maschinen bis weit in die zwanziger Jahre schwarz vorherrschte und praktisch kein Einfluss der doch sonst so durchdringenenden künstlerischen Strömungen des  „Jugenstils“ oder  „Art Deco“ zu entdecken ist, ist weiterhin auch dem Vortragenden noch ein gewissen Rätsel. Vielleicht findet sich einmal ein kompetenter, auch an Technikgeschichte interessierter Kunstgeschichtler, der diese Lücke schließt.

Denn die zu den Maschinen gehörigen Manuale und Werbeanzeigen bedienen sich sehr ausgiebig der florealen, dekorativen Ausschmückungen ihrer Zeit. Einzig die beiden X-x-X von Seidel-Naumann scheinen mit ihren geschwungenen und farblich abgesetzten Standfüßen von der reinen Funktionalität abzuweichen.

Um 1925 finden wir vereinzelt Ansätze, die neu aufkommenden Gusstechniken zur Produktion mehr abgerundeter Gehäuse einzusetzen, z.B. bei der Scribola oder Amigo; letzteres ein wohl voll durchdachtes Gesamtkonzept eines kompakten „Taschenrechners“ mit innovativer Zehnertastatur, leider ohne Markterfolg.

Erst in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhundert ortet Weiss die ersten Ansätze zur Neuorientierung: weg vom Schwarz, hin zu grün mit kantenlosem  Aluminium-Druckgussgehäuse (Hamann_Automat_T und Hamann_Automat_S) passend zu den rundlichen Nierentischchen der fünfziger Jahre. Nebenbei gesagt, auch die Schreibmaschinen folgen diesem Trend.

zwei verschiedene Hamanns
Ein Sammler hatte – ohne direkte Koordination mit dem Vortragenden – zwei Hamann-Maschinen quasi zur Illustration dieses Umbruchs mitgebracht, und so konnten wir das kantige Hamann T-Blechgehäuse und die fast teigig fließende Hamann-S nebeneinander vergleichen und die Rundungen der letzteren streicheln, auch wenn sie nicht mehr so recht unserem Geschmack entsprechen.
Schreibmaschinen-Exemplare Valentine von Ettore Sottsass
Ähnliches war auch aus den Schreibmaschinen eines anderen Sammlers ersichtlich, wobei die Beurteilung der mehrheitlichen Rechenmaschinensammler bzgl. des „Designs“ der präsentierten  Abc ( [1]) eklatant danebenlag und offensichtlich die Form der  roten Olivetti-Valentine( [2]) bevorzugte. Intuitiv widersprüchlich haben wir Rechnerzentrierte folglich das von  Wagenfeld realisierte  „form follows function-Design“ der  Abc geringer geschätzt als die uns ansprechender erscheinende Idee des „Anti-Designs“ von  Ettore Sottsass.

Die mitgebrachten Maschinen, so wie auch einige Fotos von bekannten „Design“-Rechenmaschinen mit Bakelit-Schale brachten die Diskussion sofort auf den wesentlichen Punkt „der“ Definition von Design. Nach dem Vorlesen einer ellenlangen Liste von Design-Anwendungen und -Techniken konnten die Teilnehmer ihre Begriffsverwirrung nur durch einige etymologische Deutungen artikulieren: besonders scheint die deutsche Übernahme des Begriffs  „Design“ laut Wikipedia anfänglich nur den mehr gestalterisch-kreativen Aspekt der englischsprachigen Bedeutung von „design“ übenommen zu haben, während neuere Verwendungen eher auf dem weiter gefassten, angelsächsischen Begriff der technischen Ausgestaltung von Objekten fußen. Wikipedia erwähnt hierbei die Diskussion der „Inflationierung“ des Begriffs.

Kein Wunder, dass die pragmatische Definition des Vortrags erst mal auf Ungläubigkeit stieß, aber dann wegen der Konzentration auf das Wesentliche Einigkeit erzeugte. Hoffen wir, Stephan macht seine Überlegungen auch einem breiteren Pubblikum zugänglich, wozu vielleicht die erregte Diskussion einen kleinen Beitrag lieferte.

 

2 Literatur


3 Copyright

Alle Rechte beim Verfasser

Erstellt von: Wolfgang Irler 17:04, 30. Jul 2012 (CEST)



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