Pribory I Instrumenty
Pribory I Instrumenty
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1 Die Entwicklung der Rechenmaschinen aus russischer Sicht
Die Beschreibung der Rechentechnik von den Anfängen bis hin zur "modernen Computertechnik" aus Sicht der russischen Wissenschaft bringt Aspekte zu Tage, die für Sammler alter mechanischer Rechentechnik recht interessant sind.
Da die bekannten und weit verbreiteten Geräte und Maschinen in West-Europa und den USA erfunden und produziert wurden, bestand im Ostblock die Notwendigkeit, die wenigen Geräte und Maschinen hervorzuheben, die dort erfunden wurden.
Wir wollen hier nur die Entwicklung bis zum Beginn des 20en Jahrhunderts an interessanten Beispielen beleuchten.
Stschoty: Die wichtigste Entwicklung ist der bekannte Stschoty, der in Russland über 200 Jahre in Benutzung war und die Rechentechnik im Handel beherrschte. Das zitierte Buch zeigt einige alte Stschoty ohne sie weiter zu beschreiben.
Wenig bekannt ist die Anordnung von 12 oder gar 30 Stschoty zu einem "Gerät", mit dem wissenschaftliche Berechnungen möglich gewesen sein sollen. Erwähnt werden alle Rechenarten bis hin zum Berechnen der Wurzel. Das Gerät wurde 1828 von einem gewissen F. M. Swobodskoi erfunden und in vermutlich mehreren Exemplaren gefertigt. Genaueres ist nicht zu erfahren, auch gibt es leider kein Bild davon (s. Übersetzung unten). Diese Anordnung ist es sicher wert, genauer erforscht zu werden.
- Anmerkung: Eine ähnliche Anordnung wurde später in der Addiator Addothek benutzt.
Ebenso finden wir diese Idee in der Computertechnik wieder bei den Computer-Arrays.
Slonimski: Ein sehr interessantes und kaum bekanntes Gerät ist die "Slonimski-Rechner".
Sie wurde 1845 in der Petersburger Akademie vorgeführt und auch ausführlich beschrieben, doch leider ist das einzige Modell wohl nicht mehr vorhanden.
Es ist sicher ein interessantes Gerät, das genauer untersucht und beschrieben werden sollte!
Kummer: Besonders stolz ist man auf den Rechner von Kummer, der im Jahre 1846 von einem Lehrer eines Petersburger Gymnasiums bei der Akademie für Wissenschaften präsentiert wurde.
Kummer, über den sonst nichts bekannt ist (nicht einmal der Vorname), erhielt am 29. März 1847 ein Patent für 10 Jahre. Das Gerät fertigte der Mechaniker und Optiker I. E. Milk in Moskau in nennenswerter Stückzahl.
Mit Stolz und zu recht wird darauf hingewiesen, dass dieser Rechner-Typ, den man später Zahlenschieber nannte, in der Folge in hoher Auflage von verschiedenen Firmen produziert wurde ( Troncet, Addiator, Produx usw.).
Allerdings wird verschwiegen, dass ein Franzose sehr viel früher den Grundstock für diesen Rechnertyp gelegt hat: Claude Perrault mit seinem Rechner um 1666.
- Hinweis: Wenig bekannt ist, dass in der UDSSR tatsächlich Zahlenschieber, also Abkömmlinge des Rechners von Kummer, gefertigt wurden. Allerdings war das erst ab 1949 und man darf vermuten, dass es eine Kopie eines Addiators ist. Dem Autor liegt 1 Exemplar eines russischen Zahlenschiebers vor, der in den 1960er Jahren gefertigt wurde und dem Addiator Arithma zum Verwechsen ähnlich ist.
Samostschoty: W. Ja. Bunjakowski erfand 1867 2 kreisförmige Rechner mit linearer Einteilung. Der Begriff "Samostschoty" kann mit "Selbstrechner" übersetzt werden, was - im Gegensatz zu den Stschotys und Zahlenschiebern - auf einen automatischen Überlauf hinweist. Die Bilder finden Sie unten, leider gibt es keine Beschreibung. Auch diese beiden Rechner warten auf eine genauere Untersuchung.
2 Hinweis zur Literatur
Leider gibt es keine Übersetzungen der einschlägigen Abhandlungen und Bücher. Wir zitieren deshalb Leonid Majstrow und Olga Petrenko, indem wir einen Teil des Buches "Pribory I Instrumenty" - übersetzt ins Deutsche - wiedergeben. Es handelt sich um den Teil, der die Einführung von Rechenmaschinen und -geräten im 19. Jhd. bis zum Beginn des 20. Jhd. mit Schwerpunkt in Russland bzw. aus russischer Sicht darstellt.
3 Titelblatt
Übersetzung des Titelblattes:
Akademie der Wissenschaften UdSSR
Institut für Geschichte von Naturwissenschaften und Technik
L.(=Leonid) E. Maistrow, O.(=Oljga / Olga) L. Petrenko
Geräte und Werkzeuge historischer Bedeutung
Rechenmaschinen
Verlag "Wissenschaften"
Moskau 1981
4 Anmerkungen zur Übersetzung
Dies ist die auszugsweise Übersetzung der Texte von Seite 32 bis 35 des Buches "Pribory I Instrumenty" aus dem Russischen (Kyrillische Schrift) ins Deutsche ohne Anspruch auf übersetzungstechnische Exaktheit.Die Bilder wurden direkt übernommen.
Erklärungen, andere Schreibweisen und Anmerkungen wurden in Doppelklammern ((...)) gesetzt.
Die Schreibweise der Eigennamen weicht oft von der englischen Version ab. Auch ist ein Unterschied möglich in Abhängigkeit vom Herkunftsland. Es können daher Differenzen zu anderen Literaturstellen auftreten.
Beispiele:
- Der Name Maistrow kann auch mit Majstrow, Majstrov oder Maistrov angegeben werden.
- Ím Eglischen wird oft y statt i verwendet, besonders am Ende eines Eigennamens.
- Djakow wird offensichtlich auch mit Diakoff, Diakov oder Diakow angegeben.
Die Übersetzung erfolgte unter Verwendung von:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Namenskonventionen/Kyrillisch
Für Leser, die selbst übersetzen können, geben wir die Seiten 32 bis 35 im Original als Bild wieder:
Seite 32; Seite 33; Seite 34; Seite 35
5 Zitate aus dem Buch "Pribory I Instrumenti"
5.1 Seite 32, ab ca. Mitte
Weiterentwicklung der Rechenbretter ( Stschety, Stschoty ). Die bereits seit über zwei Jahrhunderte praktizierte Benutzung von Rechenbrettern ((Stschety)) in Russland führte dazu, dass man sich im XIX Jh. Gedanken über die Schaffung einer moderneren ((dem Bedarf der Rechenpraxis angepassten)) Rechenmaschine machte. 1828 hat der Wissenschaftler F. M. Swobodskoi ein Gerät erfunden, das aus einer Kombination von 12 bis 30 Rechenbrettern bestand. Für die Verschiebung der Scheibenkugeln wurde eine Kurbel betätigt ((diente eine spezielle Metallführung mit Halterung?)). Swobodskoi konnte nicht nur 4 Rechenoperationen (Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Teilen), sondern auch komplexe Operationen mit großer Geschwindigkeit ausführen. Z. B. das Ziehen der Wurzel aus einer 21-stelligen Zahl dauerte ca 3. min. Diese Rechenmaschine konnte höhere Potenzen großer Zahlen und die Berechnung höherer Wurzeln durchführen. Die Hauptbedingung bei der Arbeit mit dieser RM war eine strenge Einhaltung von bestimmten Regeln. Die Bedienung dieser RM wurde an den Universitäten in Moskau, St. Petersburg und Charkow ((Krakau?)) vorgeführt ((erlernt)). Es wurden viele Artikel in verschienen Zeitschriften zum Thema Swobodskoi-Rechner veröffentlicht [11; 130; 179]. Trotzdem wurde der Swobodskoi-Rechner Mitte des XIX Jh. fast vergessen. Er war zu groß ((unhandlich)) und die Idee, einem Rechenbrett wieder eine Verwendung zu geben, war nicht sinvoll.
5.2 Seite 33
Im Laufe des XIX Jh. wurden Verbesserungen von Rechenbrettern entwickelt (I. Burakow, A. H. Bolman, F. G. Fon Bool, N. Kompaneiski u.a.). Jeserski (Jesersky) (1872) modifizierte bewegliche Multipliziertabellen. Die Konstruktion dieser Rechner mit Tabellen setzte sich im Laufe des XX Jh. fort (Talalai, Kompanejski u.a.) [9, 123, 140].
Die auf Tabellen basierende Geräte (Tabellen-Rechner) wurde im XIX Jh. weiter verbreitet. Das Arbeitsprinzip dieser unterscheidet sich grundsätzlich vom Arbeitsprinzip eines Arithmometers. Bei der Benutzung von diesen Tabellen-Rechnern werden bereits fertige Tabellendaten abgelesen. Die mathematische Theorie dieser Geräte ist unterschiedlich und hängt davon ab, welche Tabelle zu Grunde gelegt wird.
Im Jahre 1835 hat I. M. Schliefer in Vilnus gedruckte mechanische Tabellen zusammengestellt [101]. Perski hat in der zweiten Hälfte des XIX Jh. ein Gerät zum Multiplizieren und Teilen angeboten ((konstruiert)), das als Grundlage eine bewegliche Tabelle ((auf einer Achse)) hatte. In den 1870-1880 Jahren wurden weitere von Ju. I. Djakow und anderen angeboten [46, 47].
Slonimski-Rechenmaschine. 1845 wurden bei der Petersburger Akademie zwei Rechenmaschinen von Slonimski|S. Ja. Slonimski]] vorgeführt eine zum Teilen und multiplizieren, und eine zum Addieren und Subtrahieren ((vermutlich muss es heißen: Eine Maschine mit 2 Rechenwerken?)). Viele bedeutende Wissenschaftler wie K. Jakobi, A. Crelle, F. Bessel u.a. haben diese im Jahr 1844 als sehr gut beurteilt. Die Akademie für Wissenschaften in Berlin verlieh ihm dafür eine Ehrenpreis. Im Jahre 1846 hat Crelle einen Artikel veröffentlicht [159], in dem er die Theorie bewiesen hat , auf der die Slonimski-Rechenmaschine basierte.
Mittels der Theorie der Fareev-Zahlen ((???)) hat Slonimski bei seinem Multipliziergerät Tabellen errechnet , die auf Zylinder aufgebracht wurden. Durch die Drehung dieser Zylinder und entsprechende Bewegung von Schiebern war die Multiplikation einer Zahl mit 2, 3, ....9 möglich. Diese Einrichtung von Slonimski hatte Werte ((Ergebnisse)) für alle ganzen Zahlen. Trotz seiner guten Eigenschaften wurde die Slonimski-Rechenmaschine nie industriell hergestellt. Es wurde nur eine einziges Exemplar zum Präsentieren vom Erfinder selbst hergestellt [53] (Bild 5).
Anmerkung zum Originaltext: das mit den Fareev-Zahlen ist schon richtig. Gemeint ist die Farey-Folge F(n=9) von Brüchen. Die hat Slonimski zur Ableitung seines Theorems verwendet (s. a. Weiss 2007.2)
stewe 23:25, 22. Feb 2010 (CET)
1881 hat Ioffe Rechenbalken zum Multiplizieren und Teilen angeboten. Diese hatten das selbe Arbeitsprinzip wie bei Slonimski, wobei auch ein Läufer ((Schieber)) verwendet wurde. Die Ioffe-Stäbe waren in Russland sehr verbreitet.
Die Slonimski-Rechenmaschine basierte auf dem Prinzip der verschiebbaren Stäbe ((Plus / Minus; Addition / Subtraktion)). Als Nachfolger dieses Gerätes gilt die Kummer-Rechenmaschine.
Die Kummer Rechenmaschine. Im Jahre 1846 hat der Lehrer eines Petersburger Gymnasiums bei der Akademie für Wissenschaften eine Rechenmaschine präsentiert, die auf einer Sitzung der mathematischen Abteilung genau untersucht wurde. Im Protokoll dieser Sitzung wurde festgehalten:
5.3 Seite 34
Die von Herrn Kummer vorgestellte Rechenmaschine ((Der Vorführende hat uns eine Rechenmaschine gezeigt, die von einem Herrn Kummer konstruiert wurde, sie ..)) hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber der Slonimski-Rechenmaschine. Weil der Erfinder eine Empfehlung von der Akademie über diese Maschine haben will, hat die Abteilung Herrn Ostrogradski damit beauftragt. Er hat sich schon mit der Slonimski-Rechenmaschine befasst [56, S. 586].
Herr Ostrogradski verfasste eine sehr gute Beurteilung am 3. Oktober 1846. Er schrieb: Diese Maschine, die überwiegend zum Addieren und Subtrahieren bestimmt ist, dient zum Durchführen dieser Operationen in beliebiger Reihenfolge und Menge. Sie führt sie einfacher aus als jedes andere bereits vorhandene Gerät dieser Art. Die Hauptidee ist dieselbe wie bei Slonimski. Herr Kummer hat aber diese Idee so gut verändert, dass das Gerät viel einfacher und in bestimmten Punkten auch besser geworden ist. [56, S. 575]
Die mathematische Abteilung bezeichnete die Kummer-Rechenmaschine als einfacher und kleiner als die Slonimski-Rechenmaschine und als eine, die bessere Löschungsfunktion besitzt. Kummer hat am 29. März 1847 ein Patent für 10 Jahre erhalten. In Russland hat diese Maschine ein bekannter Mechaniker und Optiker, Hr. I. E. Milk, hergestellt.
Das Prinzip dieser Maschine von Kummer hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass dieser Typ bis jetzt in unserem Land und auch im Ausland bis heute noch hergestellt wird.
1891 hat Trake ((=Troncet, L. )) in Frankreich eine solche Rechenmaschine hergestellt, die sich nur wenig von der Kummer-Rechenmaschine unterschied.
5.4 Seite 35
Es sind einige andere Rechenmaschinen-Konstruktionen bekannt (Addiator, Produx), die nur geringe Veränderung zur Kummer-Rechenmaschine aufweisen.
1949 hat das Kartell ((Genossenschaft)) mit dem Namen Musremont in Dnepropetrowsk eine Rechenmaschine Progress hergestellt, die aber eine leichte Veränderung der Kummer-Rechenmaschine darstellt. Am 12.12.1949 wurde eine Urkunde über die Qualität dieser Maschine vom Bauingenieur-Institut Dnepropetrowsk herausgegeben. Dort stand: Diese Maschine kann für Ingenieure, Projektmitarbeiter, Wissenschaftler, Studenten und Rechenkräfte von Nutzen sein, da sie deutlich die Rechenarbeit erleichtert [58, S. 19]. So eine gute Note wurde dieser Maschine ((diesem Maschinentyp)) 100 Jahren nach ihrer Erfindung gegeben.
Auf der internationalen Ausstellung in der UdSSR 1966 Interorgtechnika-66 hat die westdeutsche Firma Faber-Castell einen logarithmischen Rechenschieber vorgestellt, der auf der Rückseite eine Maschine nach Kummer aufmontiert hatte [57]. In den letzten Jahren wurde von der Fabrik Sewerni Press in Leningrad eine Kummer-Rechenmaschine unter dem Namen "Arithmetischer Rechenschieber" hergestellt. Das zeigt die hervorragende und ausgezeichnete Erfindung der Kummer-Rechenmaschine.
Im Laufe des XIX Jh. war der Bedarf an einfachen und billigen Rechengeräten sehr groß. Wir nennen nur einige Geräte, die in dieser Zeit erfunden wurden: Gerät von Morel und Schaje ((Maurel et Jayet)) für die vier Rechenarten Arithmaurel (Frankreich, 1849); Gerät von Arzberg (( Arzberger, F., Kolonnenaddierer )) zum Addieren von Zahlen (Schweiz, 1866) ((Deutschland)); Selbst-Rechner (( Samostschety )) von W. Ja. W. Ja. Bunjakowski (1867); Addierstab von Leiner (Deutschland, 1878), Tascher-Addierer von Petetin, (Frankreich, 1885) und weitere.
Zu Foto 12 und 13 s. a. Kreisrechner Bunjakowski
6 Weitere Bilder
Bild 5 Stschety, ( Stschoty ), mittleres XVII Jahrh.
Bild 6 Stschety, 30 - 40er Jahre XIX Jahrh.
Bild 7 Stschety, 50 - 60er Jahre XIX Jahrh.
Bild 8 Stschety aus Elfenbein, Mitte XVII Jahrh.
7 Literatur
- Maistrow/Petrenko 1981 Pribory I Instrumenty
- Literaturangaben aus dem Buch, S. 154
- Literaturangaben aus dem Buch, S, 155
- Nature 10/1889 Rechner von Kummer
- [1] Kyrillisches Alphabet und Schreibweisen
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8 Links
- Kummer: http://www.bashedu.ru/konkurs/tarhov/english/muk.htm
- Falls obige site nicht erreichbar ist, finden Sie eine Computer-Übersetzung dazu in: http://translate.google.com/translate?hl=de&sl=en&u=http://www.bashedu.ru/konkurs/tarhov/english/muk.htm&prev=/search%3Fq%3D%2522a%2Bhistory%2Bof%2Bcomputer%2Bfacilities%2522%26hl%3Dde%26lr%3D%26sa%3DG
- Russische Rechner in: http://www.xnumber.com/xnumber/russian_calcs.htm
- http://www-history.mcs.st-and.ac.uk/Biographies/Ostrogradski.html
9 Copyright
Alle Rechte der Übersetzung bei A. Diestelkamp
Bearbeitet und eingestellt von: F. Diestelkamp 12:03, 10. Mär 2005 (CET)
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