Sammlertreffen Eichenau 16. Juli 2011
1 Sammlerbericht 16. Juli 2011, Eichenau
Diesmal waren Tastaturen von Rechenmaschinen angekündigt. Da der hier schreibende Autor das Thema beim vorhergehenden Treffen selbst vorgeschlagen hatte, musste er auch etwas dazu vortragen. Die anderen der etwa ein Dutzend Sammlerfreunde brachten dagegen einige anspruchsvolle Anschauungsstücke mit, die die wichtigsten Tastaturtypen abdeckten.
Zu Beginn des Sammlertreffens drückten alle ihre aufrichtige Betroffenheit zum plötzlichen Tod von Franz-Xaver Meyer aus, einem der eifrigsten und aktivsten Teilnehmers der Münchner Quartalsrunde. Umso mehr, da ja die oft angesprochene Altersproblematik der Sammler aus offensichtlichen Gründen uns alle berührt. Der Austausch an Erinnerungen an ihn füllte dann einen beträchtlichen Anteil an den persönlichen Gesprächen.
Höhepunkt hierzu war sicher die mitgebrachte, schön messing-glänzende Gab-Ka und die Amigo mit ihrer seltsamen Tastenanordnung.
Im Rahmen des folgenden Vortrags kam man recht bald auf die durchaus nicht banale Kernfrage: was ist eigentlich eine Tastatur einer Rechenmaschine und wie kann man sie kennzeichnen. Man einigte sich darauf, dass es ein Eingabemechanismus für das Rechenwerk ist, bei dem ein Finger auf einen mit einer Zahl identifizierten Hebel, bzw. Knopf - oder eben auf eine Taste - drücken kann, wobei die entsprechende Zahl eingestellt oder gleich aufaddiert wird. Damit sollte also auch eine Thales-Kipphebel-Tastatur dazugehören, sowie die frühen Adix-Hebelchen, die bei der versuchten Systematik durchaus übersehen worden waren.
Ansonsten war nicht wie bei einem analogen Thema vor 3 Jahren die Entwicklung eines einzelnen Herstellers im Vordergrund, sondern die Zuhörer durften sich eine auf A3-Kartons ausgedruckte Klassifizierung anschauen, die sich in vier große Gruppen aufsplittet:
Unter 10Key sind die Zehnertastaturen für mehrstellige Zahleneingaben aufgeführt, bei denen intern ein Mechanismus die aktuelle Stelle der gerade gedrückten Zahl zuordnet, im Gegensatz zu den hier singleKey genannten Kolonnenaddierern, die ja auch manchmal 10 Tasten haben, aber keine mehrstellige Eingaben zulassen.
Bei den Firmen, die zur Zehnertastatur übergegangen waren, hat jede erst einmal eine eigene Tastenanordnung erfunden und als enorme Vereinfachung angepriesen.
Zur Identifizierung geben wir die Zahlen an, wie sie von oben nach unten auf der Tastatur abzulesen sind. So wird eine Dalton und die frühen Facit, sowie DIXI unter 24579-13068 eingeordnet, dagegen eine Astra (oder AAC) unter 13579-2468-0-00-000 oder die Everest-Modelle unter 12345-06789. Die heute gebräuchliche, 1913 von Sundstrand angebotene 10-er Blockform liest sich als 789-456-123-0. Ein Tastentelefon hätte damit die Zuordnung 123-456-789-0.
Die fullKey-Tastaturen, beginnend mit Comptometer und Burroughs, haben dann für jede Stelle die Einzelzahlen von 1 bis 9, dagegen die halfKey ( Contex, Bell_Punch Plus, Dacometer) aus ergonometrischen Gründen nur die Tasten bis zur 5: das zweifache Drücken für größere Zahlen ist weniger anstrengend, als die Armbewegung und der längere Tastenhub der großen Zahlen. Die Sammlerrunde entwickelte in einer anregenden Diskussion diese Erklärung, die aber noch einige Literatur-, bzw. Patentsuche zur historischen Einordnung erfordern wird.
Die jeweils 9 singleKey-Tasten der späteren Adix-Clones (Aderes, Reports, Agathon, Diera) und natuerlich Gab-Ka sind in horizontaler Reihe angeordnet (123456789) und haben keine Stellenzuordnung. Bei der Kuli finden wir zusätzlich eine 10-Taste und eine Löschtaste. Die Austin hat ebenfalls die Anordnung 1234567890 ist aber eine 10Key-Tastatur für mehrstellige Eingaben.
Neben der präsentierten Systematik spornte dann ein weiterer Karton mit etwa 400 verschiedenen Tastaturausschnitten die Experten an, darauf fehlende oder falsch benannte Tastaturen zu identifizieren. Die pingelige Sammlertätigkeit bei der Erstellung der Tafel hatte sich also insoweit gelohnt, als die Mitarbeit der Kollegen die Klassifizierung präzisieren wird und eine etwaige, breitere Veröffentlichung wahrscheinlicher macht.
Im weiteren hakte sich aber dann der Gedankenaustausch an den Problemen des Copyrights bei bei einer Publikation fest, denn die gezeigten Tastaturausschnitte basieren teilweise auf Bildern aus nicht mehr genau identifizierbaren Quellen und sonst unzugänglichen Maschinen. Da nach der von praktisch allen geteilten Meinung auch ein nur exemplarischer Ausschnitt mit einer exakten Quellenangabe versehen werden sollte, können möglicherweise einige der exotischeren Tastenbeispiele nur in Skizzen oder Patentbeiträgen illustriert werden, um im Rechnerlexikon aufgenommen zu werden. In dem Sinne hat der Wirbel um die aktuellen Plagiatsaufdeckungen in deutschen Politikerkarrieren also auch uns schrullige Sammler von nicht mehr gebrauchten Rechengeräten erfasst. Dazu kommt noch die unselige Praxis von Internet-Abzockern, die natürlich jeden Betreiber einer Webseite übervorsichtig beim Einstellen von Fremdeinträgen werden lässt. Viele meinten, dass da der Gesetzgeber die wissenschaftliche Forschung (wozu ja ein bisschen auch die hier versuchte Tastatursystematik gehört) generöser berücksichtigen sollte.
Als Leckerbissen bei der lockereren Kaffee-Runde wurde eine originelle Nachbildung einer Gruson-Rechenscheibe des 18. Jahrhunderts gezeigt, die beim Tourismus-Büro der Stadt Magdeburg als historisches Mitbringsel in verschiedenen Ausfertigungen erhältlich ist. Stephan Weiss, der einen eigenen Nachbau der Rechenscheibe besitzt, hat auch eine mathematische Analyse der verschiedenen Gruesonschen Erfindungen verfasst.
Da in nächster Zeit das idyllische Wirtshaus zur Post in Eichenau anscheinend endgültig seine Existenzberechtigung verliert, wird das folgende Treffen im Oktober 2011 nicht mehr dort stattfinden können. Der sicher sehr interessante, schon dafür angekündigte Vortrag und natürlich alle weiteren Sammlertreffen werden folglich in eine andere, mit Sicherheit weniger heimelige Gaststätte verlegt.
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Erstellt von: Wolfgang Irler 16:43, 26. Jul 2011 (CEST)
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